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Drei Fragen an … Wolfgang Aschauer

06.11.2020

Die COVID-19-Pandemie bietet die seltene Gelegenheit zu untersuchen, wie sich die Werte der Menschen in Krisenzeiten verändern. Der "Values in Crisis Survey" erforscht genau dies mit einer weltweiten Studie. Wolfgang Aschauer, Forscher an der Universität Salzburg, hat mit AUSSDA über erste Ergebnisse aus Österreich gesprochen.

Worum geht es in der Studie?

Der Values in Crisis Survey (VIC-Survey) geht auf eine Initiative der World Value Survey Association zurück, wobei Christian Welzel, der gemeinsam mit Ronald Inglehart entscheidend zur Etablierung der weltweiten Werteforschung beigetragen hat, diese ländervergleichende Umfrage gemeinsam mit Kolleg*innen aus Deutschland und Großbritannien in der Zeit des Lockdowns im Frühjahr 2020 initiierte. In der Studie soll analysiert werden, ob Grundwerte, die über die Zeit durchaus stabil sind und als kulturelle Marker von Gesellschaften fungieren, im Zuge der aktuellen Pandemie wesentlichen Erschütterungen ausgesetzt sind. Die grundlegenden Werteorientierungen werden mit etablierten Messinstrumenten (z.B. dem Inglehart-Index und dem Portraits Value Questionnaire von Schwartz) erhoben. Zusätzlich werden politische und soziale Werthaltungen sowie auch Wellbeing-Indikatoren und Persönlichkeitseigenschaften über etablierte Skalen gemessen. Eine Besonderheit ist das angestrebte Längsschnitt-Design der Studie mit drei Erhebungswellen über Online-Panels in den einzelnen teilnehmenden Ländern. Die gleichen Proband*innen werden im Jahresrhythmus befragt, um die Nachhaltigkeit der potentiellen Werteänderungen zu prüfen. Die zweite Erhebung wird im späten Frühjahr 2021 stattfinden, wenn voraussichtlich ein Ende der Krise in Sicht ist, eine finale dritte Erhebung ist 2022 geplant, wenn hoffentlich die ökonomisch tiefgreifenden Folgen der Krise überwunden sind.

Bereits im März hat Christian Welzel einen globalen Aufruf zur Mitwirkung an der Studie gestartet. Wir vom Team des Sozialen Survey Österreich haben in einer Kooperation zwischen den Soziologie-Abteilungen der Universitäten in Salzburg (Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer), Graz (Markus Hadler und Franz Höllinger) und Linz (Hans Bacher und Dimitri Prandner) die Beteiligung an der ersten Welle gemeinsam finanziert. Die Erhebung erfolgte über ein etabliertes Onlinepanel in Österreich. Erfreulicherweise konnten wir auch zahlreiche Indikatoren des Sozialen Survey Österreichs (SSÖ) in die Umfrage integrieren, insofern sind nicht nur Werthaltungen und Krisenerfahrungen, sondern auch Einstellungen zu Familie und Beruf, zu Politik und Umwelt und zu Zukunftsvorstellungen der Österreicher*innen enthalten. 

Was ist für Sie der spannendste Aspekt der Studie? Gab es überraschende Ergebnisse?

Für Österreich nehmen wir bereits erste Analysen vor und sind auf sehr spannende Erkenntnisse gestoßen. So zeigt sich beispielsweise im Wertevergleich über die letzten Jahre (insbesondere seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008) ein Trend zu konservativen Werten. Im VIC-Survey bestätigt sich diese Tendenz bei einzelnen Werthaltungen (z.B. mehr Traditionsgebundenheit), wobei die Daten eines Online-Panels naturgemäß nur bedingt mit Repräsentativerhebungen der letzten Jahre vergleichbar sind. Grundsätzlich sind aber (noch) keine fundamentalen Erschütterungen in den Grundwerten der Österreicher*innen zu sehen. Wir können aber beobachten, dass bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen Werte wie Altruismus und Universalismus nur bedingt an Bedeutung gewinnen. Vor allem die älteren Erwachsenen in Österreich leben diese solidarischen Werte, während die jüngeren Generationen zwar europäisch denken und Zuwanderung unterstützen, aber stärker in der kapitalistischen Leistungslogik verstrickt scheinen.

Außerdem sind wir künftig durch den internationalen Datensatz in der Lage, die Krisenwahrnehmungen in Österreich mit der Situation in anderen Ländern zu vergleichen. An der ersten Welle haben sich bereits mehr als 10 Länder beteiligt. Wir haben Vergleichsdaten in Europa aus Deutschland, Schweden und Großbritannien zur Verfügung, aber auch Daten aus vielen anderen Weltregionen wie Brasilien und Chile, USA, Russland, Japan und Korea. Die meisten Erhebungen wurden im Frühjahr 2020 durchgeführt und verdeutlichen somit in allen Ländern die Krisenerfahrungen im Zuge der ersten Welle der Pandemie. 

Warum haben Sie sich entschieden, die Daten frei zugänglich zu machen?

Uns allen vom SSÖ-Team ist der freie Datenzugang in den Wissenschaften ein großes Anliegen. Ich denke, dass es gerade in den Zeiten der Pandemie, wo wir mit dramatischen Prozessen des sozialen Wandels konfrontiert sind, besonders wichtig ist, sozialwissenschaftliche Daten zu erheben und neben den gesundheitlichen Folgen auch die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie zu untersuchen. Gerade als Sozialwissenschaftler*innen sollte es unser Anspruch sein, empirische Erkenntnisse für die Bevölkerung bereitzustellen und Einsichten in die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ermöglichen. Deswegen haben wir die Daten der ersten Welle möglichst rasch aufbereitet und dank der guten Zusammenarbeit mit AUSSDA im Fast-Track Verfahren veröffentlichen können. So wie es derzeit aussieht, kann auch der internationale Datensatz von allen beteiligten Ländern bei AUSSDA archiviert werden. Wir arbeiten derzeit intensiv an der Harmonisierung der nationalen Datensätze und hoffen, die Daten der ersten Welle im Ländervergleich der Öffentlichkeit bis Jahresende zur Verfügung stellen zu können.

  

  • Dr. Wolfgang Aschauer ist assoziierter Professor für Politikwissenschaft und Soziologie an der Abteilung Soziologie und Kulturwissenschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen soziale Integrationsforschung (Migration, Integration, gesellschaftlicher Zusammenhalt), quantitative Methoden sowie ländervergleichende Sozialforschung und Tourismusforschung.

 

 

Wolfgang Aschauer (Foto: Universität Salzburg)